Glitterheim - Nautgardstinden (2258m) und zurück, 18km
Ein neuer Tag, diesmal zur Abwechslung mit strahlend blauem Himmel und keinem Wind. Die Wetterprognosen - jede bewirtschaftete Hütte bekommt täglich ein aktuelles Wetterfax - sehen blendend aus und wir entscheiden uns, die restlichen beiden Puffertage für schlechtes Wetter (was ist das?) hier in Glitterheim zu verbringen. Nach einem hervoragenden Frühstück begeben wir uns erstmal in die Kaminstube und genießen bei einem guten Kaffee den Ausblick auf die verschneite Welt, durch die sich schon wieder die ersten Skiläufer kämpfen. Sie sind allerdings noch mehr mit sich selbst beschäftigt, es sieht alles etwas steif und ungelenk aus.

Ich könnte heute hier noch stundenlang so sitzen und einfach nur in den Schnee schauen. Nach dem zweiten Kaffee holen wir dann doch die Karten raus und beginnen unsere weiteren Touren zu planen. Querfeldein ist jetzt das Motto, was bei den aktuellen Sicht- und Wetterverhältnissen kein Problem sein sollte. Für den heutigen Tag ist klar, dass wir eine Gipfeltour machen, wobei wir uns für den Nautgardstinden mit 2258m Höhe entscheiden. Als Route wählen wir abweichend vom Standard bis kurz vor den Gipfel einen längeren aber weniger steilen Weg. Nachdem alles wichtige eingepackt ist geht's auf die Skier und los.

Wir sind genauso ungelenk und steif wie die anderen und es dauert eine Weile, bis wieder etwas Eleganz in unsere Bewegungen kommt. Danach geht es aber gut voran und bald können wir schon wieder die Jacken ausziehen und die Ärmel hochkrempeln. Die erste Pause machen wir auf ca. 1900m Höhe direkt am Abgrund eines der beiden Gletscherlöcher, die aussehen, als wenn ein Troll zweimal genüsslich in den Berg gebissen hat. Es ist faszinierend und erstaunlich, mit welcher Kraft die Gletscherzunge, die sich zu früherer Zeit von Norden heranschob, sich in solch einen Berg einfach hineingefräst hat. Besonders markant beim Nautgardstinden ist, dass diese Löcher an drei Seiten noch von Fels umgeben und nur nach Norden hin offen sind.

Sehr beeindruckend ist auch die Sicht auf die Scheeüberhänge und die Aussicht, dass wir dort gleich irgendwo entlang müssen. Der weitere Weg ist dann aber unproblematisch, da wir schon bald auf die Spuren von anderen Skiläufern auf dem Weg zum Gipfel treffen. Wir müssen nur noch über einen kleinen Rücken mit jeweils einem Abrund links und rechts, dann gehts nochmal 50m runter (reine Verschwendung) und vor uns liegen die letzten 240m Aufstieg bis zum Gipfel. Von dort kommen uns einige Norweger mit flotten Telemarkschwüngen entgegen. Sieht ja wirklich beeindruckend leicht aus! Wir haben dagegen erst noch das Mühsal vor uns: Der Schnee ist hier oben sehr wechselhaft, mal verharscht und glatt, mal weich und bremsend. Zudem kommt jetzt noch ein leichter Wind auf, der den Pulverschnee um uns rum wirbelt und am Gipfel sind erste Wolkenbildungen zu erkennen. Egal, wir wollen da jetzt hoch. Ich bin wieder heilfroh über meine Skifelle und arbeite mich in Serpentinen hoch. Gedanken daran, dass wir den Weg auch wieder runter müssen, verdränge ich ganz schnell und konzentriere mich lieber auf die aktuelle Aufgabe. Irgendwann bin ich fast oben und beschließe, von hier zu Fuß weiterzugehen. Das stellt sich dann aber als schwieriges Unterfangen heraus, da meine Bindungen eingefroren sind. Nach gutem Zureden und leichten Schlägen komme ich dann doch raus. Inzwischen ist Frank auch hinter dem Berghorizont aufgetaucht und nähert sich zielstrebig meiner Position. Es ist wirklich beunruhigend zu sehen, dass man nicht mehr sieht, wohin wir nachher beim Abstieg hinfahren: die Bergkrümmung wird nach unten hin stärker.

Nun geht's aber erstmal auf den Gipfel. Die letzten Schritte werden immer vorsichtiger, da wir ja wissen, dass nach dem Gipfel gleich wieder eines der beiden Gletscherlöcher mit einem Abgrund von 250m kommt. Oben angekommen ist es denn halb so wild, es ist Platz für eine ganze Busladung, die glücklicherweise nicht da ist. Der Blick, der sich uns hier bietet ist gigantisch. Norwegen liegt wirklich zu unseren Füssen. Rondane ist klar zuerkennen, ebenso natürlich die Berge und schneebedeckten Gletscher von Jotunheimen, der Heimat der Riesen. Das Sjoatal ist bis kurz vor Besstrond zu erkennen und noch die nächsten 200km, die sich dahinter erstrecken ...

Der Wind wird ungemütlicher und inzwischen ist es bereits 16 Uhr. Wir müssen hier (leider) wieder runter. Schnell werden noch zwei Gipfelfotos geschossen und es geht wieder bergab. Bei uns klappt das noch nicht so gut mit den Telemarkschwüngen. Bei mir liegt das sicherlich daran, dass ich die Felle nicht abnehme, sondern über deren bremsende Wirkung heilfroh bin. Als wir den kleinen Rücken hinter uns gebracht haben, ist Glitterheim ca. 600m tiefer im Tal zu erkennen. Die folgende Abfahrt gestaltet sich auf dem verharschten Schnee anfangs etwas schwierig (jetzt ohne Felle) und ich lege mich einige Male hin. Als der Schnee etwas weicher wird geht's deutlich besser und ich rutsche und rutsche und rutsche. Unten angekommen muss ich erstmal die Beine wieder locker kriegen, bevor ich die restlichen km bis zur Hütte normal laufend zurücklegen kann.

Der restliche Teil des Tages gestaltet sich dann ähnlich genüßlich und gemütlich wie gestern.
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