Olavsbu - Spiterstulen: 22 km auf und ab
Die Nacht war wieder ziemlich kalt. Als ich morgens um 7 Uhr auf das Außenthermometer schaue, hat sich die Quecksilbersäule auf unter -20°C verkrochen. Dafür bricht draußen der neue Tag wieder mit einem unbeschreiblich schönen Sonnenaufgang an, der die Bergspitzen nacheinander in gleißendes Licht taucht. Anfangs mache ich mir ob dieses wundervollen Ausblickes noch ein paar warme Gedanken. Leider reicht das nicht, um auch den ausgekühlten Hauptraum auf eine frühstücksfähige Temperatur zu bekommen. Also versuche ich mich jetzt mal am gußeisernen Ofen. Nach einigen Streichhölzern, gutem Zureden und einigen Flüchen klappt's dann auch und das langsam erwachende Feuer gibt beruhigende prasselnde Geräusche von sich. Jetzt ziehts auch Frank aus dem Sack und wir machen uns erstmal jeder eine Müslischale voll Kakao mit löslichem Kaffee. Köstlich! Als die gute Stube angenehm warm ist, frühstücken wir fürstlich und fangen schon mal mit den Hausaufgaben im Rechnen an. Abwaschen, Sachen zusammenpacken, einmal durchfegen und wir sind wieder startklar, in einen weiteren (wie sollte es auch anders sein) wunderschönen, windstillen Sonnentag zu laufen.

Nach der gestrigen Fell-Fjell-Tour tue ich mich heute etwas schwer, wieder mit den Wachsskiern klarzukommen. Der Schnee ist kalt und hart und die erste Wachsung ist schnell von den Skiern runter. Da wir gleich am Anfang einige Meter rauf müssen, wird das ein wenig nervig. Irgendwann gebe ich mich geschlagen und wachse noch mal nach. Danach gehts wieder deutlich besser. Die Mühe wird auch sofort belohnt, denn nach dem Hügel geht es wunderbar abwärts in ein weites Tal hinein. Wir rutschen bestimmt 2km runter, wovon wir auf dem ersten schön Schwünge üben und den letzten einfach laufen lassen können. Wir nähern uns der "Kirche", einem ziemlich spitzen 2000-er, um den wir einmal fast ganz rumlaufen müssen. Nachdem wir den nächsten Sattel erklommen haben, liegt die private Hütte Leirvassbu zu unseren Füßen, die noch geschlossen hat. Hier gibt es auch keine Möglichkeit, in einer unbewirtschafteten Hütte zu übernachten, sie ist einfach zu. Das haben wir bereits von den 3 Schottinnen gehört, die wir in Gjendebu getroffen haben. Die mussten nämlich von Spiterstulen kommend die leidvolle Erfahrung machen, dass sie entgegen ihrem Plan noch ganz bis Olavsbu laufen mussten. Ein ziemlicher Hammer, wenn man schon auf warme Hütte und Abendbrot eingestellt ist und dann noch ca 10km mit zwei netten Steigungen laufen muss.

Für uns ist dieser Platz mit dem Ausblick in zwei Täler, der "Kirche" neben und der wärmenden Sonne über uns hervorragend geeignet, um Mittag zu machen. Danach geht's die restlichen 15km bis Spiterstulen eigentlich nur noch abwärts, einem Flußlauf entlang. Zum Teil können wir wieder einige km rutschen, zum Teil brauchen wir die Stöcker nur in die Nähe des Schees bringen und es geht voran. Kurz vor dem Ziel taucht auf der linken Seite aufeinmal der "Abenteuergletscher" auf, auf und in dem wir letzten Mittwoch noch mit Philip rumgekrabbelt sind. Diesmal ist er wunderbar zu sehen und versteckt seine bizarren Formen und riesige diamantförmige Eisnadeln nicht im Dunst und Nebel. Deutlich ist auch der Moränengrat zu erkennen, über den wir zum Gletscher hochgekommen sind. Als ich die recht steilen und hohen Flanken so sehe, bin ich im nachhinein ganz froh, dass die Sicht nicht so klar war ...

Am späten Nachmittag erreichen wir relativ entspannt Spiterstulen, die erste bewirtschaftete Hütte. Wobei dieser Ausdruck eigentlich nicht zutrifft: Es ist ein Hotel. Wir bekommen ein Doppelzimmer, das super geheizt ist und ausreichend Platz zum Trocknen der Klamotten bietet. Frank und ich freuen uns beide schon riesig auf eine warme Dusche, ein serviertes Abendessen, den Kaffee/Tee hinterher und zu guter Letzt auf das seelige Einschlummern so gegen 21 Uhr. Die Dusche zeichnete sich im wesentlichen nur durch fließend Wasser aus. Die Wärme muss dem Wasser schon vorher von den Unmengen an Kindern genommen worden sein, die ebenfalls in Spiterstulen wohnen. Das Essen ist dafür sehr lecker und wir genießen es, uns bedienen zu lassen und nach dem Essen einfach in den Kaminraum zu gehen, um endgültig abzuschlaffen. Schnell ist der Punkt erreicht, an dem ich mich kaum noch in der Sitzposition halten kann. Meine letzte Tagesenergie nutze ich, um in unser Zimmer zurückzugehen, mich auszuziehen und in den Schlafsack zu legen. Frank ist mitgekommen und macht sich gleich daran zu schaffen, die Heizung runterzudrehen. Drehen lässt sich der Knauf, nur bewirkt das keine Temperaturänderung der Heizung. Ich habe leichte Bedenken, das Fenster bei draußen minus 20°C und drinnen plus 25°C zu öffnen und Frank geht erstmal zur Rezeption, um ein bisschen zu meckern. Kurz darauf kommt er auch mit dem Hauswart zurück, der ein Stapel Handtücher unterm Arm dabei hat. Diese legt er einfach über die Heizung und meint, dies sei zur Zeit alles, was er tun könnte und das würde auch richtig was bringen. Kaum hat er die Zimmertür hinter sich geschlossen, kommen uns sofort Zweifel an der Wirkung dieser Maßnahme und ich überwinde meine anfänglichen Bedenken. Bei geöffnetem Fenster überstehen wir diese Nacht, ohne Hitzeschock und ohne erfrorene Heizung.
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